Klimasensible Versorgung: Gesundheit und Klima im Fokus ärztlicher Praxis

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Der Klimawandel betrifft uns längst nicht mehr nur über politische Diskussionen oder globale Umweltberichte – er wirkt sich direkt auf unsere Gesundheit aus. Besonders in den Sommermonaten zeigt sich, wie ernst die Gefahr durch zunehmende Hitze wird. Eine klimasensible Versorgung wird damit zur notwendigen Antwort im Praxisalltag von Ärztinnen und Ärzten. Im Rahmen des Projekts AdaptNet wurde untersucht, wie eine Umsetzung gelingen kann. Dr. Rainer Weber, Hausarzt in einem Gesundheitsnetz QuE Nürnberg, berichtet aus der Praxis und gibt wertvolle Einblicke in die Verbindung von Gesundheit und Klima.

Warum Gesundheit und Klima untrennbar verbunden sind

Extreme Wetterlagen, steigende Temperaturen und Luftverschmutzung wirken sich messbar auf die Gesundheit aus. Vor allem im Sommer nehmen Hitzewellen zu, was zu einem deutlichen Anstieg an gesundheitlichen Beschwerden führt. Kreislaufprobleme, Dehydrierung, Schlafstörungen oder die Verschärfung chronischer Erkrankungen wie COPD oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind nur einige Beispiele. Die Gefahr liegt darin, dass diese Veränderungen oft unterschätzt werden – sowohl von Patientinnen und Patienten als auch von medizinischem Personal. Deshalb ist es entscheidend, klimasensible Versorgung zu etablieren: also präventive und gezielte Maßnahmen im Umgang mit den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels.

Wenn Hitze zur Gefahr wird – Erfahrungen aus der Hausarztpraxis

Dr. Rainer Weber beschreibt, dass seine Motivation zur Teilnahme an AdaptNet aus dem Wunsch entstand, nicht nur auf Veränderungen zu reagieren, sondern sie aktiv mitzugestalten. Anfangs war der Klimawandel für ihn eher ein abstraktes Thema – doch durch den Austausch im Projekt wurde klar: Die Auswirkungen sind längst spürbar.
Im Praxisalltag beobachtet er vermehrt Symptome wie Schwindel, Erschöpfung oder Atemnot in heißen Wochen. Diese Beschwerden lassen sich oft direkt mit Hitzebelastung in Verbindung bringen. Die Erkenntnis: Ärztliche Versorgung muss klimasensibel sein – das heißt, Umweltbedingungen stärker in Diagnostik und Beratung einbeziehen.

Klimasensible Versorgung in der Praxis: Was die Klima-Toolbox bewirken kann

Ein zentraler Bestandteil des Projekts war die sogenannte Klima-Toolbox – ein Set an Werkzeugen, das Ärztinnen und Ärzte unterstützt, klimabezogene Gesundheitsrisiken besser zu erkennen und zu behandeln. Besonders bewährt hat sich laut Dr. Weber der Arzneimittel-Hitze-Check-Up. Mit einem speziell entwickelten Algorithmus lassen sich Medikamente daraufhin prüfen, ob sie bei starker Hitze zusätzliche Risiken bergen – zum Beispiel durch eine erhöhte Kreislaufbelastung oder Dehydrierung.
Zudem kommen sogenannte „Infozepte“ gut an: einfache, verständliche Informationsblätter, die an Patientinnen und Patienten ausgehändigt werden. Diese Materialien erhöhen das Bewusstsein und stärken die Eigenverantwortung – besonders bei älteren oder chronisch erkrankten Menschen. Die gute Struktur und Alltagstauglichkeit der Toolbox machten den Einstieg für Dr. Weber leicht.

Patient:innen im Dialog: Wie Aufklärung bei Hitze schützt

Ein zentrales Element klimasensibler Versorgung ist die Kommunikation. Dr. Weber berichtet, dass er anfangs unsicher war, ob Patientinnen und Patienten für das Thema offen seien. Doch das Gegenteil war der Fall: Viele Betroffene, insbesondere ältere Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, äußerten sich dankbar, dass ihre Beschwerden endlich in Zusammenhang mit Hitze und Umweltbedingungen gebracht wurden.
Gerade bei wiederkehrenden Symptomen wie Müdigkeit oder Atemnot wächst mit gezielter Aufklärung das Verständnis für den Einfluss des Klimas auf den eigenen Körper. Das schafft Vertrauen und motiviert Patient:innen, Vorsorgemaßnahmen wie ausreichende Flüssigkeitszufuhr, richtiges Lüften oder Medikamentenanpassungen ernst zu nehmen.

Perspektiven für eine flächendeckende klimasensible Versorgung

Damit klimasensible Versorgung nicht die Ausnahme bleibt, braucht es laut Dr. Weber eine stärkere strukturelle Verankerung. Er plädiert für verpflichtende Fortbildungen, konkrete Leitlinien und die Integration der AdaptNet-Erkenntnisse in Qualitätszirkeln und Fachgesellschaften. Viele Kolleg:innen seien grundsätzlich offen, aber es fehle oft an niederschwelligen Angeboten und praktischen Tools.
Der Austausch mit anderen Netzpraxen in QuE habe ihm gezeigt, dass der Weg in eine klimaangepasste Gesundheitsversorgung nur gemeinsam beschritten werden kann. Es geht darum, einen Kulturwandel im Gesundheitswesen anzustoßen: weg vom Reagieren – hin zum klimasensiblen Handeln.

Fazit: Gesundheit und Klima gemeinsam denken

Die Erfahrungen von Dr. Weber zeigen deutlich: Der Klimawandel ist eine reale Gefahr für die Gesundheit, insbesondere im Sommer, wenn Hitzetage zunehmen. Eine klimasensible Versorgung bietet konkrete Möglichkeiten, diese Herausforderungen anzugehen. Mit praxistauglichen Tools, guter Kommunikation und struktureller Unterstützung können Ärzt:innen dazu beitragen, Gesundheitsrisiken frühzeitig zu erkennen und präventiv zu handeln. Damit Forschung nicht nur Wissen schafft – sondern auch im Alltag wirkt.